Der lauschige Rot-Kanal am nahen Waldrand lädt rund ums Jahr zu einer Wanderung entlang des Wassers von Murgenthal AG hinauf nach Roggwil BE oder zur Klosteranlage St. Urban LU ein.
Nächster Halt „Murgenthal“ steht am Bildschirm des Regionalzugs, der zwischen Langenthal und Olten verkehrt. Nach dem Aussteigen deutet beim Murgenthaler Bahnhof nichts auf spezielle Wandermöglichkeiten hin. Doch der Eindruck täuscht.
Zuerst führt der offizielle Wanderweg für kurze Zeit entlang der Hauptstrasse Richtung Bern, nach wenigen Hundert Meter leicht schräg nach links und weiter über die Murg-Brücke bis nach Obermurgenthal.
Auf der Brücke, die das Grenzflüsschen Murg (BE-AG) überspannt, lohnt sich ein Blick in die Tiefe. Des Öftern ist hier der Eisvogel zu sehen, manchmal nur für Sekundenbruchteile, sozusagen als „blauer Pfeil“. Der Eisvogel ist europaweit gefährdet und zählt deshalb zu den „Smaragd-Arten“.
In Obermurgenthal (Wynau BE) ist ein eindrückliches Ensemble an historischen Bauten erhalten geblieben, so eine Mühle und weiter westlich der Gasthof Löwen. Vorläuferbauten der beiden wurden bereits im 14. Jahrhundert in den Annalen des Klosters St. Urban erwähnt.
Interessant sind all die Jahrzahlen an der ehemaligen Mühle und der alten Scheune auf der gegenüberliegenden Seite der alten Zürich-Bern-Strasse. 1587, 1796, 1809, usw. rücken die Bauten für Eingeweihte in den geschichtlichen Kontext wie z.B. in die des Alten Berns oder in die Zeit von Napoleon.
Die Wanderung geht nun ein paar Dutzend Meter zurück über die Brücke, welche das Grenzflüsschen Murg (BE/AG) überspannt. Schon nach ein paar Minuten Marschzeit verläuft der Wanderweg dem Rot-Kanal entlang.
Das Wasser des Rot-Kanals läuft ruhig dahin. Bergseits erstreckt sich ein steiler Waldhang, talseits ein praktischer Gehweg bedeckt mit Juraschotter. Je nach Wetterlage erscheint übrigens der Jurabogen in Richtung Norden zum Greifen nahe.
Der Gehweg folgt dem obersten Abschnitt des Rot-Kanals. Dieser wurde ab 1640 auf einer Breite von 15 oder 16 Schuh (etwa 4.5 m) ausgehoben bzw. über lange Abschnitte in den Fels gehauen. Bis heute führt der Rot-Kanal hinab nach Rothrist AG. Der Ort hiess damals allerdings Ober- und Niederwil und war dem bernischen Landvogt auf der Festung Aarburg unterstellt. Dieser unterstützte den Bau tatkräftig und trug auch sonst dazu bei, dass seine Untergebenen ihre mageren Wiesen wie etwa das „Hungerzelg“ als Wässermatten nutzen konnten.
Wie bestimmt in früheren Jahrhunderten nutzt seit ein paar Jahren der Biber den Rot-Kanal als „Wanderweg“. Seine Frassspuren finden sich an einzelnen Weiden des Ufergehölz‘ und seine Trampelpfade am Abhang hin zur tiefer fliessenden Murg.
Seit dem Bau der Bahn 2000 überspannt auch ein gewaltiges Viadukt den Rot-Kanal.
Der Lärm der vorbei brausenden Züge dauert zum Glück nur kurz an und lässt die Erholungssuchenden anschliessend die Ruhe umso mehr geniessen.
Aus der Murg abgeleitet wird das Wasser des Rot-Kanals über ein grosses Stauwehr. Die Murg ist vielleicht eines der kürzesten Grenzflüsschen der Welt. Die Wässer der Rot und der Langete werden erst nach ihrem Zusammenfluss – etwa zwei Kilometer von der Aare entfernt – Murg genannt. „Murg“ bedeutet so viel wie „Grenze“ und ist eine Bezeichnung, die auf die Kelten zurückgehen soll.
Ohne Pausen lässt sich die Wanderung von Murgenthal bis Roggwil in einer Stunde, die Wanderung von Murgenthal bis St. Urban in einer Stunde 15 Minuten zurücklegen
Speziell im Grenzland der heutigen Kantone Aargau, Bern und Luzern gibt es noch letzte Wässermatten der Schweiz. Für das „Wässern“ der Matten werden in der Regel Bäche mit mit „Brütschen“ gestaut.
Mit etwas Glück kann man mitverfolgen „wie ein ganzer Bach voll Wasser auf die Wiese geleitet wird.“ Eine Technik, welche die Mönche von St. Urban in die Gegend brachten, wird weniger wegen ihrer Bewässerungs- sondern viel mehr wegen ihrer Düngewirkung angewendet. Feine Schwebstoffe lassen das Gras denn auch üppig spriessen.
Durch das kleine Dorf Walliswil AG im westlichsten Zipfel des Kantons Aargau geht’s einem kleinen Wässerbach hinauf durch das Tal der Rot. Das Grenzflüsschen Rot gehört ganz zum Kanton Bern und trennt diesen seit 1802 vom Kanton Aargau.
Gleich nach Walliswil AG kann nun Richtung Roggwil BE abgezweigt werden. Das bernische Roggwil war auch nach der Reformation eng mit dem Kloster St. Urban verknüpft. So eng, dass die bernischen Behörden vor 350 Jahren neu eine Kirche mitten im Dorf bauen liessen, da sie sonst einen Abfall vom reformierten Glauben befürchteten. In der Nähe der Kirche befinden sich das bekannte Bäckerei-Café Zulauf (mit regionalen Spezialitäten) und der Bahnhof Roggwil Dorf.
Wer will, kann auch unten im kleinen Tal der Rot weiterwandern und gelangt zuerst zur „Roggwiler Sagi“, welche eigentlich auf Murgenthaler Boden steht.
Von der Roggwiler Sagi geht es wieder entlang einem Bach hinauf zum „Sagi-Brünneli“, einem Rastplatz mit gewaltigen Eichen und einem kleinen Brunnen. Er liegt am Rand des riesigen Naturwaldreservats „Boowald“.
In den Gräben entlang der Waldstrasse Richtung St. Urban leben im Frühling Tausende von Grasfrosch-Kaulquappen, während in speziellen Tümpeln die europaweit gefährdete Gelbbauchunke, eine Smaragd-Art, lebt.
Bei der Klosteranlage St. Urban angekommen lädt das Klostergasthaus Löwen zu Speis und Trank ein.
Die eindrückliche Klosterkirche St. Urban kann in der Regel frei besichtigt werden (für Gruppen auf Voranmeldung). Die Züge der Aare Seeland mobil verbinden St. Urban halbstündlich mit Roggwil Dorf und Langenthal (mit Anschluss nach Murgenthal).